
Nun waren wir also da im 145’000 Einwohner starken Touristenmagneten Cairns, dem selbst ernannten Tor zum tropischen Norden. Wir hatten uns gut zwei Wochen eingeplant, denn wir hatten viel vor. Zuerst machten wir uns daran, unser Auto, die ganze Campingausrüstung und alles andere Übergepäck zu verkaufen oder sonstwie loszuwerden. Neben diesen Pflichten standen auch noch einige Ausflugswünsche auf unserer to-do-Liste. Nun denn, ran ans Organisieren und das Beste hoffen.
Also gut. Das Auto verkaufen. Hm. Während die anderen den schulischen Verpflichtungen nachgingen, studierte ich auf gumtree und carsales das aktuelle Angebot an vergleichbaren Modellen und stellte fest, dass wir nicht die einzigen Reisenden sind, die in Cairns ihr Fahrzeug verkaufen möchten. Zuversichtlich erstellte ich trotzdem ein Inserat auf gumtree, suchte mir aber zusätzlich noch die Nummern von allen möglichen Autohändlern in Cairns heraus. Wie ich da so herumtelefonierte, kristallisierte sich heraus, dass die meisten Occasionshändler keine Autos nehmen, die älter als acht bis zehn Jahre alt sind. Andere wiederum wollten kaum was für unseren Patrol bezahlen oder verkauften Autos nur in Kommission. Wir entschieden uns, zuerst mal auf Antwort auf unser Inserat zu warten und in der Zwischenzeit Cairns zu erkunden.
Cairns erkunden

Das touristische Zentrum von Cairns ist die Esplanade. Der Strandpromenade vorgelagert befindet sich der gleichnamige Stadtpark am Ufer der Bucht von Cairns. Der Park bietet allen Besuchern kostenlos diverse Möglichkeiten zum Verweilen, vom Skatepark über Fitnessgeräte, von Tennisplätzen und über einen Boulderpark bis hin zur wirklich schön gemachten Lagoon. Vom Hafen südlich davon starten täglich viele kleinere und grössere Boote und sogar Hubschrauber zu Great Barrier Reef Touren. Hinter der Promenade sind diverse Restaurants und die Tourenanbieter zu finden, weiter hinten verschiedene Bars, Supermärkte, das Cairns Aquarium, das Museum und sogar ein eigener Souvenirmarkt.


Eigentlich besteht der Markt aus unzähligen kleinen Verkaufsständen in einem Gebäude, die zusammen Cairns Night Markets genannt werden. Die Gänge sind eng und die Gestelle gefüllt mit allem, was der gemeine Tourist eventuell kaufen möchte. Selbst Massagen, Hornhautentfernung durch ein Fussbad mit kleinen Fischen und ausgehöhlte Agakröten als Portmonnaie werden hier angeboten – wobei ich mich nach wie vor frage, wer letzteres tatsächlich kauft. So oder so, wer hier nicht fündig wird, will eigentlich gar kein Souvenir!
Viel Zeit verbrachten wir an der Esplanade und bei der Lagoon. Es war einfach herrlich, neben den ganzen – meist gehetzten – Backpackern bei rund 28 °C in der Wintersonne zu liegen und ab und zu mit den Kindern ins klare Wasser der Lagoon zu springen. Dazu ein veganes Bio-Eis, mmm.

Und wie die Sonne immer roter wurde und langsam hinter der Stadt verschwand, wurde das Krächzen der Rainbow Lorikeets immer lauter.

Die farbenfrohen Sittiche versammeln sich jeden Abend in den Palmen rund um die Lagoon.
Dass die Stadt nur eine menschliche Exklave inmitten der Natur ist, wurde auch besonders deutlich, wenn die Abenddämmerung hereinbrach. Dann starten jeweils hunderte Flughunde von ihren Schlafbäumen mitten in der Stadt zum nächtlichen Nektarsammeln und fliegen in grossen Schwärmen durch den roten Himmel hinaus in die Wälder im Süden.
Was tun?

Unsere kleine Wohnung bot zwar ein Klavier, was unsere Kinder liebten, war sonst aber ziemlich eng und forderte uns förmlich dazu auf, unsere Zeit draussen zu verbringen und die Gegend zu erkunden. Ja, gerne! Aber was, wenn sich doch noch jemand auf unser Inserat meldet und sich unseren Patrol ansehen möchte? Dann müssten wir in der Nähe und das Auto in vorzeigbarem Zustand sein. Wir waren ziemlich im Ungewissen, wie die nächsten Tage aussehen würden. So fassten wir die Variante ins Auge, unseren Wagen bei einem Kommissionshändler auf den Platz zu stellen und für die geplanten Ausflüge jeweils ein Auto zu mieten. Uncool, aber immerhin eine Möglichkeit.

Nach einer weiteren Runde Herumtelefonierens fand ich mit dem Cairns Car & 4WD Centre endlich einen Händler, der mir anbot, sich unseren Patrol mal anzusehen. Da ich grad nichts Besseres vor hatte, fuhr ich gleich hin. David, der Händler, kam heraus, ging aber nicht auf meine Fragen zum Vorgehen ein, sondern bot mir an, das Auto direkt abzukaufen. „Guter Start“, dachte ich mir. Doch mit Zeitdruck im Nacken und Öltropfen unter dem Motor gelang es mir nicht, einen besonders guten Preis auszuhandeln. Dafür konnte ich vereinbaren, dass wir den Vertrag gleich unterzeichnen, wir aber noch bis zu unserer Abreise mit dem Auto herumfahren konnten. Eigentlich auch ganz gut.

Endlich entspannter genossen wir Tagesausflüge zum Rex Lookout an der wunderschönen Küstenstrasse Richtung Port Douglas. Der Lookout ist ein beliebter Gleitschirm- und Deltastartplatz und ich hatte das Glück, dass an mehreren Tagen gute Bedingungen herrschten. Während ich so in der Meeresbrise durch den Himmel cruiste, genossen die anderen die Brise im Campingstuhl am Strand von Wangetti. Auch das Fischen kam nicht zu kurz.

Nun ja, die gefangenen Fische waren leider schon zu kurz (aber immerhin keine Karpfen!). Baden kam nicht in Frage. Quallenwarntafeln inkl. Eimern mit Essig zur Erstbehandlung und Schilder mit dem Hinweis „Be crocwise in croc country!“ hielten uns erfolgreich davon ab.

Ein letzter Camping Trip
Als nächstes wollten wir nochmals eine richtige Tour mit unserem Fourwheeldrive machen und das Great Barrier Reef besuchen. Wir packten unsere Campingausrüstung, kauften Verpflegung und fuhren nach Norden zum Noah Beach Campground im Daintree National Park. Der Nationalpark ist wie das Great Barrier Reef ein UNESCO Weltnaturerbe. Die gut 140 km waren super schön: erst die malerische Küstenstrasse, dann die letzten Zuckerrohrfelder in voller Blüte und schliesslich nach der Fährüberquerung des Daintree River dichter geheimnisvoller Regenwald. Besonders verheissungsvoll waren die ganzen Warntafeln „Achtung Kasuare!“. Denn unsere Mission für den Daintree National Park war es, einen dieser grossen Laufvögel mit dem blauen Hals und dem roten Kamm zu beobachten und zu fotografieren. Leider war von den Vögeln selber aber noch nichts zu sehen.

Nachdem wir unser Zelt aufgebaut und Nachtessen gekocht hatten, sassen wir in der Dämmerung am Strand und sahen aufs Meer hinaus. Es wurde schnell dunkler und immer mehr Sterne tauchten auf. Der Himmel war so klar und jede Lichtverschmutzung so fern, dass wir schliesslich deutlich die Milchstrasse vor uns sehen konnten. Magisch!


Tagsdarauf, genau an meinem Geburtstag, war es soweit. Wir würden zum Great Barrier Reef fahren. Wir hatten bei Sailaway eine Segeltour ab dem Cape Tribulation zum Mackay Reef gebucht. Es war der Hammer. Nur schon mit Windkraft zum Riff hinaus zu fahren war beeindruckend. An Bord gab es erst einen Apéro, dann erzählte uns die angestellte Meeresbiologin interessante Facts zum Riff und seinen Bewohnern. Beim Riff angekommen konnten wir zwei ausgedehnte Schnorchelgänge machen.

Dazwischen wurden ein üppiges und sehr feines Buffet sowie eine kleine Rundfahrt mit einem Glasbodenboot angeboten.
Auf der Rückfahrt schauten wir einfach nur aufs Meer hinaus und liessen all das Erlebte nochmals durch den Kopf gehen.






In der Nacht hatte es geregnet. Wenig verwunderlich, wir befanden uns ja auch im Regenwald. Trotzdem packten wir frohen Mutes unsere Sachen zusammen. Eine der Tourteilnehmerinnen auf der Sailaway hatte uns nämlich erzählt, sie habe am Vortag gleich zwei Kasuare gesehen. Das bestärkte uns zusätzlich in unserem Vorhaben, noch weiter durch den Daintree National Park zu fahren.

Der Plan war, nicht auf dem direkten Weg zurück nach Cairns sondern über den Bloomfield Track und das Outback im Hinterland zu fahren. Der Bloomfiled Track ist eine unbefestigte Strasse der Küste entlang, welche durch den Daintree National Park führt und das Cape Tribulation mit Cooktown verbindet. Angeblich soll man hier nur mit einem echten Allrad Truck mit Getriebeuntersetzung und Schnorchel durchkommen. Wir freuten uns auf das Schlimmste.

Nun, so wild war’s dann trotz der paar Bachdurchquerungen und teilweise extremen Steigungen doch nicht. Eine schöne und abwechslungsreiche Fahrt war’s dennoch – wenn auch ohne Kasuar-Sichtung. Kurz vor Cooktown hatten wir schliesslich den nördlichsten Punkt unserer Reise durch Australien erreicht. Wir befanden uns nun auf 15°40′ südlicher Breite. Auf bekanntere Gefielde der Nordhalbkugel bezogen, entspräche das ungefähr Dakar.

Gleich nach der Abzweigung auf den Mulligan Highway machten wir Halt beim Annan River und schauten den Wassermassen zu wie sie über mehrere Stufen hinunter in eine Schlucht stürzten. Die Schönheit der australischen Natur beeindruckte uns einmal mehr und am liebsten wären wir noch länger auf den Steinen sitzen geblieben.

Bis zurück nach Cairns lagen aber noch 300km vor uns, das meiste davon auf dem asphaltierten Highway quer durchs Outback. Obwohl wir heute schon weit gefahren waren, sogen wir genüsslich – ein letztes Mal – Kilometer für Kilometer dieser fantastischen Landschaften und unglaublichen Weiten in uns auf.

Cairns und Umgebung

Zurück in Cairns, verkauften wir unser Zelt auf gumtree – diesmal klappte es auf Anhieb und eine junge Mutter kam an einem Abend inkl. Kind und eigenem Patrol vorbei, um es mitzunehmen – und spendeten den Rest mitsamt der Angelruten dem nächsten Salvos Store. Die Angestellten nahmen unsere Campingausrüstung mit leuchtenden Augen entgegen und ignorierten den Hinweis, dass die Stühle nicht mehr ganz fit seien. Offenbar wird hier nicht so oft so viel auf einmal gespendet. Für uns war’s jedenfalls auch perfekt so.
Daneben übten die Jungs fleissig mit den Bumerangs von den Night Markets, kümmerten sich um den Goldfisch, der auch zur Wohnung gehörte, spielten die Kinder Klavier, lernten für die Schule oder färbten sich zur Abwechslung die Haare. Alle drei waren zum Schluss gekommen, dass rote beziehungsweise violette Haare ein gutes Pendant wären zu meinem Weltreisebart. Kurzum, wir genossen unsere Zeit in Cairns.

Moment, war da nicht noch eine Mission offen? Richtig! Kasuare suchen! So entschieden wir uns, noch einen Ausflug in den Dschungel zu machen. Wir fuhren hoch nach Kuranda und besuchten erst einmal die Barron Falls. Da aber australischer Winter far north Trockenzeit bedeutet, waren die Barron Falls nicht viel mehr als ein Rinnsal, das über eine Felswand hinunter plätscherte. Na gut, dann mal weiter! Wir wollten unser Glück auf einem Track entlang des Clohesy Rivers zu versuchen. Da müsste man so richtig tief in den Urwald hineinkommen.

Was erst noch lockerer Eukalyptuswald war, wurde dann nach jeder Flussdurchquerung auch immer mehr zu richtigem Regenwald. Ein Ziel, welches wohl auch von Tagestouren angesteuert wird, ist eine gigantische Würgfeige. Vor vielen Jahren war diese an einem Urwaldriesen hoch gewachsen und erdrückte diesen schliesslich. Vom Wirtsbaum ist heute nichts mehr zu sehen. Die Würgfeige steht nun gewissermassen als vertikaler hölzerner Tunnel mitten im Wald. Wir fuhren weiter dem Clohesy River entlang und fanden Offroad Spass aber trotz einigen Beobachtungspausen keine Kasuare.

So kehrten wir schliesslich um. Wir wollten noch etwas durch Kuranda schlendern und dann zurück nach Cairns fahren. Im Hippiedörfchen angekommen, waren leider alle Geschäfte schon geschlossen. Nur die Touristeninfo war noch offen. Dort erfuhren wir, dass nach Abfahrt des letzten Zuges nach Cairns um 15:30 alles schliesst – und dass Kasuare sehr scheue Vögel seien. Im Vogelpark von Kuranda lebe einer. Doch das war nicht unsere Idee und so gaben wir unsere Mission schliesslich auf. Aber jonu. Wir hatten so viel anderes erlebt und gesehen, dass wir das locker verschmerzen konnten.
Der Abschied naht

Während unseren letzten Tagen besuchten wir unter anderem das Cairns Aquarium, wo wir über das grosse Wissen unserer Kinder staunten und schauten den Athleten des Iron Man zu, der gerade in Cairns statt fand.

Ausserdem besuchten wir während der Dämmerung die Schlafbäume der Flughunde, um das Spektakel des nächtlichen Ausfliegens aus nächster Nähe zu erleben. Erst steigt Lärmpegel immer mehr an, dann fliegt ab und zu ein einzelner flying fox von einem Baum zum nächsten und plötzlich geht es los mit dem Geflatter. Schnell merkten wir, dass das Erlebnis ohne Regenschirm etwas gar intensiv ist und wir versteckten uns unter dem Vordach des Museums.

Der Abschied
Auch mussten wir unseren Patrol wie vereinbart abgeben. Das war einer dieser viel besagten Momente mit dem lachenden und dem weinenden Auge. Schliesslich war das Auto gewissermassen unsere offizielle Verbindung mit Australien. Wir hatten unsere eigene australische Autonummer, eine australische Versicherung auf unseren Namen und so weiter. Und für den grössten Teil unseres Trips durch den roten Kontinent begleitete es uns bei unseren Erlebnissen. Ja, für die negativen war es oft der Grund – deshalb ja auch das lachende Auge. Jedenfalls war dieser Abschnitt unserer Reise nun definitiv vorbei.
Und so waren wir mehr oder weniger bereit, in den Flieger nach Sydney zu steigen.